Die richtige Behandlung der Widersprüche im Übergang zu einer neuen Situation
Nach der marxistischen Dialektik handelt es sich bei jeder wesentlichen Änderung in der Entwicklung eines Prozesses, eines Dings um einen qualitativen Sprung. Im REVOLUTIONÄREN WEG 24 heißt es dazu:
»Die Entwicklung der Natur und Gesellschaft verläuft nicht im stetigen Fluß allmählich höher, sondern sprunghaft. Die scheinbare Kontinuität wird unterbrochen, es findet ein Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt statt.«20
Oftmals wird der Fehler gemacht, daß quantitative Entwicklungen für die Ursache des Sprungs in eine neue Qualität gehalten werden. In Wirklichkeit ist die quantitative Entwicklung nur die grundlegende Bedingung, damit die innere Widersprüchlichkeit eines jeden Prozesses so zur Entfaltung kommen kann, daß sich das Neue gegen das Alte durchsetzen kann. Mao Tsetung schreibt zu diesem Problem:
Die materialistische Dialektik »betrachtet die äußeren Ursachen als Bedingungen der Veränderung und die inneren Ursachen als deren Grundlage, wobei die äußeren Ursachen vermittels der inneren wirken.«21
Die Grundursache jeden qualitativen Sprungs ist das Gesetz des Kampfs und der Einheit der Gegensätze, das jeder Entwicklung und jedem Prozeß innewohnt. Wie sich Kampf und Einheit der Gegensätze dabei entwickeln, beschreibt Mao Tse-tung:
»Die Bewegung eines jeden Dinges äußert sich in zwei Zuständen: im Zustand relativer Ruhe und im Zustand offensichtlicher Veränderung. Diese sich in den beiden Zuständen äußernde Bewegung wird durch den Kampf verursacht, den die beiden im Ding enthaltenen gegensätzlichen Faktoren miteinander führen. Wenn die Bewegung des Dinges den ersten Zustand zeigt, dann macht das Ding nur quantitative Veränderungen durch und keine qualitativen; deshalb äußert sie sich in scheinbarer Ruhe. Nimmt aber die Bewegung den zweiten Zustand an, so haben die im ersten Zustand vor sich gegangenen quantitativen Veränderungen bereits einen bestimmten Kulminationspunkt erreicht, das Einheitliche hat sich daher aufgelöst, und es erfolgt eine qualitative Veränderung, deshalb äußert sich die Bewegung des Dinges in einer offensichtlichen Veränderung.«22
Das bedeutet, daß jeder Übergang von der einen zur anderen Qualität immer an die Entfaltung von Widersprüchen gebunden ist. Die gegensätzlichen Seiten im Prozeß entfalten ihren Kampf mit dem Ergebnis, daß die alte Qualität des Prozesses in eine neue Qualität übergeht.
Es ist die Aufgabe einer jeden Leitung, dafür zu sorgen, daß sich die Widersprüche in einer solchen Übergangssituation nichtantagonistisch entfalten. Das Ergebnis muß immer die Höherentwicklung der dialektischen Einheit von Theorie und Praxis sein. Die antagonistische Entwicklung der Widersprüche käme dagegen einem Vorherrschen der kleinbürgerlichen Denkweise gleich.
Die wesentliche Methode, damit sich eine Übergangssituation nichtantagonistisch entwickelt, ist die kontrollierte Entfaltung der Widersprüche:
- Das bedeutet, den Kampf zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Denkweise bewußt auszutragen und dabei zu gewährleisten, daß die proletarische Denkweise die führende Rolle behält und die kleinbürgerliche Denkweise nicht vordringt.
- Jede Übergangssituation ist an einen ganz bestimmten Kampf zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Denkweise gebunden, der in gewisser Weise bereits voraussehbar ist. Dazu muß bei jeder Aufgabe von der ideologisch-politischen Seite ausgegangen werden.
- Da sich die innerparteilichen Widersprüche nicht im luftleeren Raum abspielen, ist der Bezug zu den Aufgaben im Klassenkampf grundlegend. Bei jeder Veränderung der Parteiarbeit geht es immer darum, die Aufgaben der Partei im Klassenkampf zu meistern, das Wechselverhältnis von Parteiaufbau und Förderung der Selbstorganisation der Massen höherzuentwickeln und die entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse für den Kampf um den Sozialismus zu gewinnen.
- Der kontrollierte Übergang von der einen Qualität der Parteiarbeit zu einer anderen ist immer an das Funktionieren des Systems der Selbstkontrolle der Partei gebunden. Dieses ist durch drei Seiten einer dialektischen Einheit gekennzeichnet.
- Die Kontrolle der Leitungen von unten durch Kritik und Selbstkritik,
- durch die Selbstkontrolle der Kader, was identisch ist mit der Fähigkeit, selbständig mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig zu werden, und
- durch die Kontrolle von oben durch die Zentrale Kontrollkommission, in der sich die Kontrolle der Denkweise der Partei bündelt. Ohne solche Kontrollkommissionen würde die Kontrolle der Denkweise eine leere Phrase bleiben.
Dieses System der Selbstkontrolle der Partei muß bei jeder neuen Aufgabenstellung der Partei vom Zentralkomitee grundsätzlich und konkret ausgerichtet werden und von der Zentralen Kontrollkommission (ZKK) kontrolliert werden. Mit dem System der Selbstkontrolle der Partei haben sich die Marxisten-Leninisten eine bedeutende Waffe geschaffen, die innerparteilichen Widersprüche schöpferisch und vorwärtstragend zu behandeln.
- Die kontrollierte Entfaltung von Widersprüchen im Parteiaufbau im Übergang von einer Qualität in eine andere ist also eng verbunden mit der Methode des In-Spannung-Haltens von untergeordneten Fragen, während die prinzipiellen Fragen sofort geklärt und zur Entscheidung gebracht werden müssen. Wer dagegen prinzipielle Fragen in Spannung hält, riskiert eine antagonistische Zuspitzung in der Partei, die bis zum Liquidatorentum gehen kann. Wer allerdings auf die Methode des In-Spannung-Haltens von Widersprüchen verzichtet, riskiert, daß die kleinbürgerliche Denkweise unkontrolliert vordringt und entsprechend Schaden für den Parteiaufbau anrichten kann. Diese Frage war im Übergang von der alten zur neuen Grundlage des Parteiaufbaus sehr bedeutend. Es konnte nicht in jeder Frage sofort gleichermaßen mit den Änderungen begonnen werden, ohne zu riskieren, daß in der Partei ein Durcheinander entsteht. Naturgemäß stand zunächst die Veränderung der Anleitung und Kontrolle als zentrales Problem für die Selbstveränderung der Parteiarbeit in jeder einzelnen Frage im Mittelpunkt. Das zeitweilige In-Spannung-Halten von Widersprüchen ist Bestandteil der bewußten Lösung des Hauptwiderspruchs und ist an ganz bestimmte Bedingungen gebunden.