Die Verletzung des Prinzips der Selbstbestimmung
Nachdem die Sozialimperialisten Ende 1979 in Afghanistan einmarschiert sind damit erstmals ein Nicht-RGW-Land direkt überfallen haben, ist nun der Einmarsch in Polen militärisch vorbereitet, um die Ausbeutung Polens weiterhin zu sichern und die Arbeiterbewegung gewaltsam zu unterdrücken. Jetzt wollen die Revisionisten die ideologisch-politische Rechtfertigung im voraus liefern, weil sie genau wissen, daß ein Einmarsch einen weltweiten Proteststurm hervorrufen wird.
Die „UZ“ vom 6. Dezember 80 zitiert den Sprecher der polnischen revisionistischen Partei:
„Wenn aber, sagt Klasa weiter, der Sozialismus existenziell bedroht sei, wenn ,die Führung aus den Händen der Demokratie in die Hände der Fürsprecher eines nichtsozialistischen Systems' übergehe, müsse dies mit einer Tragödie enden. ,Dann hätten die polnischen Kommunisten das Recht und die Pflicht, Hilfe bei den Kommunisten aus anderen Ländern zu suchen'.“
Am 4. Dezember 80 wurde von der polnischen Führung der sogenannte „Dramatische Appell“ veröffentlicht, der am Ende eine deutliche Drohung enthält:
„Landsleute, das Schicksal der Nation und des Landes steht auf dem Spiel. Die sich hinziehende Unruhe bringt unser Vaterland an den Rand der wirtschaftlichen und moralischen Vernichtung. Wir befinden uns weiter in der Phase einer scharfen politischen Krise. Ihre Auswirkungen können sich für unsere nationalen Grundinteressen als bedrohlich erweisen.“
Wie können im Sozialismus, wo doch die Arbeiter mit der Diktatur des Proletariats die Macht ausüben, die „nationalen Grundinteressen“ bedroht sein, wenn die Arbeiter mehr Lohn und Kontrolle der Staatsbeamten fordern?
Entweder es herrscht Sozialismus, dann führt die Erfüllung dieser Forderungen nicht zur Bedrohung der „nationalen Grundinteressen“.
Oder die „nationalen Grundinteressen“ sind gefährdet, wenn die Arbeiter eine Forderung aufstellen; dann handelt es sich schon lange nicht mehr um ein sozialistisches und unabhängiges Land, sondern um ein kapitalistisches Land, abhängig von den Sozialimperialisten.
Polen ist ein von dem Sozialimperialismus abhängiges Land – es ist seine Kolonie. Eine solche Abhängigkeit – mit welchen Worten auch immer kaschiert – ist mit dem Marxismus-Leninismus unvereinbar!
Engels schreibt dazu:
„Das siegreiche Proletariat kann keinem fremden Volk irgendwelche Beglückung aufzwingen, ohne damit seinen eigenen Sieg zu untergraben.“ (zitiert nach: Lenin Werke Bd. 22, S. 360)
Und Lenin schreibt in „Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution“:
„Die proletarische Partei erstrebt die Schaffung eines möglichst großen Staates, denn dies ist für die Werktätigen vorteilhaft; sie erstrebt die Annäherung und weitere Verschmelzung der Nationen, aber sie will dieses Ziel nicht mittels Gewalt erreichen, sondern ausschließlich auf dem Wege eines freien, brüderlichen Bündnisses der Arbeiter und der werktätigen Massen aller Nationen. Je demokratischer die Republik Rußland sein wird, je erfolgreicher sie sich als Republik der Sowjets und der Arbeiter- und Bauerndeputierten organisiert, desto stärker werden sich die Werktätigen Massen aller Nationen freiwillig zu einer solchen Republik hingezogen fühlen.“ (Ausgewählte Werke Bd. II, S. 66 – Hervorhebung durch Lenin)
Nach diesem Prinzip wurde erfolgreich die sozialistische Sowjetunion gegründet. Aber mit der Machtergreifung der neuen Bourgeoisie auf den XX. Parteitag in der Sowjetunion, Februar 1956, wurde dieses sozialistische Prinzip der Freiwilligkeit durch das imperialistische Prinzip der Gewalt ersetzt.
Fühlen sich heute die Nationen zu Russland hingezogen? Nein, statt dessen wurde die Sowjetunion in ein großes Völkergefängnis verwandelt. Fühlen sich die Völker (nicht die herrschenden Lakaien) der „befreundeten Staaten“ zur Sowjetunion hingezogen? Nein, sonst wäre kein Einmarsch in der CSSR, keine Besatzungstruppen in Afghanistan und kein Aufmarsch gegenüber Polen notwendig.
Die Völker streben nach Unabhängigkeit, weil sie unterdrückt werden, und der Sozialimperialismus beantwortet dies mit brutaler Gewalt. Aber das wird den Freiheitswillen der Völker wiederum stärken. Und schließlich wird sich auch das russische Volk zu einer erneuten Revolution erheben und aus der Sowjetunion wieder ein sozialistisches Land machen. Denn: „Nie kann ein Volk, das andere Völker unterdrückt, frei sein.“ (Lenin Werke, Bd. 22, S. 151)