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Die Entstehung neuer imperialistischer Länder ist ein Wesensmerkmal des imperialistischen Weltsystems

In seiner 1916 erarbeiteten Imperialismus-Analyse stellt Le­nin fest, dass eine neue Epoche in der Entwicklung des Kapita­lismus begonnen hatte: der Übergang vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum monopolkapitalistischen Imperialismus.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts begann ein Prozess der Herausbildung einer Reihe imperialistischer Länder wie England oder Frankreich. In England existierten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts»mindestens zwei der wichtigsten Merkmale des Imperialismus«1. Lenin spricht aber davon, dass der kapitalistische Imperialismus erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts »seine volle Reife«2 erlangte.

Als er 1916 den Imperialismus analysiert, interessiert ihn vor allem das neuimperialistische Deutschland. Es verfügte nur über wenige Kolonien. Umso deutlicher trat der neue imperialistische Charakter hervor: die Herrschaft des Finanzkapitals als die entscheidende ökonomisch-politische Grundlage.

England war ein Staat, der seinen »Reichtum … in erster Linie durch die Ausbeutung einer unermeßlichen Zahl von Kolonien, durch die unermeßliche Macht der englischen Banken«3 geschaffen hatte. Deutschland hingegen entwickelte sich seit 1871 sehr rasch und weit dynamischer als England zu einer neuen kapitalistischen Großmacht. Die Industrieproduktion stieg sprunghaft, Großbetriebe mit Tausenden Beschäftigten entstanden und der Hunger nach Rohstoffquellen und Absatzgebieten war groß.

Zur neuimperialistischen Gruppe gehörten neben Deutschland auch die USA und Japan. Ihre Überlegenheit gegenüber der Gruppe der alten imperialistischen Länder beruhte auf einer fortgeschrittenen kapitalistischen Produktionsweise, sie führten »neue Verfahren zur Entwicklung der kapitalistischen Produktion, eine bessere Technik und eine unvergleichliche Organisation in den Kampf …«.4 Ihr Nachteil: Die für sie wegen der Rohstoffquellen und Absatzmärkte unverzichtbaren Kolonien waren schon aufgeteilt unter den alten Imperialisten. Das schuf den Drang nach Neuaufteilung der Welt und machte sie besonders aggressiv.

Lenin verallgemeinert in seinem berühmten Werk »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«: »Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist.«5

Lenin versteht unter Monopol sowohl das Finanzkapital als »Bankkapital einiger weniger monopolistischer Großbanken, das mit dem Kapital monopolistischer Industriellenverbände verschmolzen ist« als auch »die Aufteilung der Welt … zu einer Kolonialpolitik der monopolistischen Beherrschung des Territoriums der restlos aufgeteilten Erde.«6

Imperialistische Länder sind also solche, deren Wirtschaft von Monopolen bestimmt wird, in denen die Monopole sich den Staat mehr und mehr untergeordnet haben und die nach Beherrschung anderer Territorien und Länder trachten.

Kennzeichnend für diesen »neuesten Kapitalismus« wurde der Export von Kapital. Das ist die entscheidende ökonomische Grundlage, auf der der Imperialismus andere Länder ausbeutet und unterdrückt. Im Kapitalismus der freien Konkurrenz ging es noch hauptsächlich um den Export von Waren.

In der Geschichte des Imperialismus entstanden unter bestimmten Bedingungen immer wieder neue imperialistische Staaten aus früheren Kolonien, wie die USA, Kanada oder Australien. Deshalb wäre es auch dogmatisch, eine Einteilung in unterdrückende und unterdrückte Länder als ein für alle Mal feststehend zu betrachten.