Parteiaufbau und der Kampf um die proletarische Linie
1968/69 war die kleinbürgerliche Studentenbewegung endgültig zusammengebrochen.
„Nach dem Zusammenbruch der kleinbürgerlichen Studentenbewegung 1968/69 kamen zahlreiche Intellektuelle zu der Erkenntnis, daß ohne die Stoßkraft der Arbeiterklasse das kapitalistische Ausbeutungssystem nicht be- seitigt werden kann. Was tun?
Die KPD/DKP war revisionistisch entartet, hatte die proletarische Revolution verraten und den »friedlichen Weg zum Sozialismus« auf ihre rosagefärbte Fahne geschrieben. Der Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei war darum dringend erforderlich und durch den Verrat der Revisionisten gerechtfertigt. Es bildeten sich Gruppen, die sich auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus den Parteiaufbau zur Aufgabe stellten. In diese Keime einer revolutionären Partei drangen die kleinbürgerlichen Studenten, um »in allem die Führung zu übernehmen« und eine kleinbürgerliche politische Linie hineinzutragen. Sie gerieten in Widerspruch zu den klassenbewußten Arbeitern, die eine proletarische Linie vertraten.“ (Vorwort, RW 4+5)
Diese beiden Nummern des Revolutionären Wegs zeigten auf, wie sich der proletarische Weg des Parteiaufbaus unter Führung der Arbeiter durchsetzen konnte gegen den Führungsanspruch der kleinbürgerlichen Studenten. Darin wird zu vielen Grundfragen des Parteiaufbaus Stellung genommen: die Orientierung auf die Arbeiterklasse, der demokratische Zentralismus als Organisationsprinzip oder das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Partei gegenüber dem revolutionären Jugendverband.
Parteiaufbau und der Kampf um die proletarische Linie
INHALT
Am 29. April 1904, wurde Willi Dickhut in Schalksmühle geboren. Er starb am 8. Mai 1992 in Solingen - auf den Tag genau 47 Jahre nach der Befreiung vom Hitler-Faschismus. Willi Dickhut war Arbeiter, Marxist-Leninist, Widerstandskämpfer gegen den Hitler-Faschismus, Mitbegründer und Vordenker der MLPD.
Er hat lange Jahre das theoretische Organ REVOLUTIONÄRER WEG der MLPD geleitet. Sein Lebenswerk umfasst nahezu ein ganzes Jahrhundert Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung in Deutschland. Er hat den Stil der MLPD entscheidend mit geprägt. Ein besonderes Anliegen war ihm, kritisch-selbstkritisch und selbständig denkende und handelnde Kader zu entwickeln, als Damm gegen Dogmatismus, Revisionismus oder gar eine Entartung der Partei.
Leseprobe
Vorwort | 3 |
REVOLUTIONÄRER WEG 4/70: Der Kampf um die proletarische Linie |
|
Einleitung |
5 |
Die Septemberbeschlüsse des ZK als Sicherung des proletarischen Charakters der KPD/ML und der Durchsetzung der proletarischen Linie in der Partei |
9 |
Über die klassenmäßige Zusammensetzung einer revolutionären Partei, das heißt einer marxistisch-leninistischen Partei |
26 |
Die marxistisch-leninistische Partei muß sich auf die Arbeiterklasse orientieren |
29 |
Die Arbeiterklasse muß in allem die Führung haben, darum muß die proletarische Linie in der Partei unterstützt werden |
30 |
Jede Leitung der Partei ist verantwortlich für die Beschlußfassung und die Durchführung ihrer Beschlüsse |
32 |
Die Herausbildung zweier Linien in der KPD/ML und die Rolle des ZK |
36 |
Die Jugendorganisation der Partei, die Rote Garde, kämpft um die organisatorische Selbständigkeit und um den demokratischen Zentralismus |
57 |
Die kleinbürgerliche Linie des Zentralorgans »Roter Morgen« |
71 |
Die führende Rolle der Intellektuellen |
71 |
Zentralismus ohne Demokratie |
77 |
Die Frage von Theorie und Praxis |
80 |
Die kleinbürgerliche Linie des ZK und des Zentralorgans »Roter Morgen« treibt zur Spaltung der Partei und ihrer Jugendorganisation |
88 |
REVOLUTIONÄRER WEG 5/70: Über den Parteiaufbau |
|
Zwei Ansichten über den Parteiaufbau |
100 |
Der demokratische Zentralismus als dialektische Einheit |
100 |
Die Lehren des Parteiaufbaus in Rußland um die Jahrhundertwende |
106 |
Die kleinbürgerlichen Intellektuellen usurpieren mittels eines »Zentralbüros« die Führung in der Partei |
121 |
Die Bildung des »Zentralbüros« als zentrale Fraktion |
121 |
Die ultralinke Politik des »Zentralbüros« |
125 |
Das »Zentralbüro« als fraktionelle Hausmacht |
129 |
Die Haltung des »Zentralbüros« gegenüber dem KAB/ML und anderen Gruppen |
133 |
Aufbau der Partei auf nationaler Ebene und Bildung eines vorbereitenden Zentrums |
157 |
Anhang: Persönliche Erklärung des Genossen Willi Dickhut |
167 |
REVOLUTIONÄRER WEG Sondernummer: Das trojantzkistische Pferd in den Mauern der KPD/ML |
|
Die trotzkistische Politik der kleinbürgerlichen Studentengruppe B 1 |
174 |
Die B 1 will eine Partei nach dem Muster der trotzkistischen »Unione« aufbauen |
184 |
Mit List und Tücke dringt die B 1 in die KPD/ML ein und spaltet die Partei und ihre Jugendorganisation |
197 |
Anhang: Dokumente |
205 |
Der REVOLUTIONÄRER WEG 4, »Der Kampf um die proletarische Linie« und der REVOLUTIONÄRER WEG 5, »Über den Parteiaufbau« sowie die Sondernummer »Warnung! Das trojantzkistische Pferd in den Mauern der KPD/ML« sind in einem Band zusammengefaßt und bilden einen Teil der Geschichte der »marxistisch-leninistischen Bewegung«. Es war von Anfang an ein Kampf um die Denkweise, der proletarischen Denk- und Arbeitsweise gegen die kleinbürgerliche Denkweise. Nach dem Zusammenbruch der kleinbürgerlichen Studentenbewegung 1968/69 kamen zahlreiche Intellektuelle zu der Erkenntnis, daß ohne die Stoßkraft der Arbeiterklasse das kapitalistische Ausbeutungssystem nicht beseitigt werden kann. Was tun?
Die KPD/DKP war revisionistisch entartet, hatte die proletarische Revolution verraten und den »friedlichen Weg zum Sozialismus« auf ihre rosagefärbte Fahne geschrieben. Der Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei war darum dringend erforderlich und durch den Verrat der Revisionisten gerechtfertigt. Es bildeten sich Gruppen, die auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus sich den Parteiaufbau zur Aufgabe stellten. In diese Keime einer revolutionären Partei drangen die kleinbürgerlichen Studenten, um »in allem die Führung zu übernehmen« und eine kleinbürgerliche politische Linie hineinzutragen. Sie gerieten in Widerspruch zu den klassenbewußten Arbeitern, die eine proletarische Linie vertraten. Es entbrannte der Kampf um die ideologisch-politische Linie. Die Auseinandersetzungen führten zu Spaltungen, neuen Gruppierungen und Auflösungen. Trotz alledem siegte letztlich die proletarische Gruppe um den REVOLUTIONÄREN WEG.
Zentralkomitee der MLPD, Juli 1985
»Die Kommunistische Partei ist ein Teil der Arbeiterklasse, und zwar der fortgeschrittenste, klassenbewußteste und deshalb revolutionärste Teil. Die Kommunistische Partei entsteht durch die Auslese der besten, klassenbewußtesten, selbstlosesten, weitblickendsten Arbeiter. Die Kommunistische Partei hat keine von den Interessen der Arbeiterklasse verschiedenen Interessen. Die Kommunistische Partei unterscheidet sich von der gesamten Masse der Arbeiter dadurch, daß sie den ganzen geschichtlichen Weg der Arbeiterklasse überschaut und an allen Wendepunkten dieses Weges nicht die Interessen einzelner Gruppen, einzelner Berufe, sondern die Interessen der Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit verteidigt. Die Kommunistische Partei ist der organisatorisch-politische Hebel, mit dessen Hilfe der fortgeschrittenste Teil der Arbeiterklasse die gesamte Masse des Proletariats und des Halbproletariats auf den richtigen Weg führt.« (Aus: »Leitsätze über die Rolle der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution, angenommen auf dem II. Kongreß der Kommunistischen Internationale am 24. Juli 1920«, in: »Der I. und II. Kongreß der Kommunistischen Internationale«, Berlin/DDR 1959, S. 154/155)
Aus diesen Leitsätzen geht hervor, daß die Kommunistische Partei die Vorhut, die Avantgarde des Proletariats ist. Der Aufbau der am 31. Dezember 1968 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten mußte von diesen Leitsätzen ausgehen. Wie aber war die damalige Lage?
Objektiv war die Gründung einer revolutionären marxistisch-leninistischen Partei infolge der Verwandlung der früheren KPD in eine revisionistische, reformistische Partei und ihren Verrat an der Revolution längst fällig.
Subjektiv fehlten jedoch die wesentlichen Voraussetzungen: die ideologischen, politischen und organisatorischen. Sie hätten in einem vorherigen Klärungsprozeß der verschiedenen Gruppen untereinander geschaffen werden müssen; das war jedoch nicht geschehen.
Nach der Gründung der KPD/ML mußten beim Aufbau der Organisation die drei Voraussetzungen nachgeholt werden. Das machte den Aufbau in der ersten Phase schwierig und kompliziert. Diese Tatsache kam in dem Rechenschaftsbericht der Landesdelegiertenkonferenz der Partei von Nordrhein-Westfalen am 8. März 1970 wie folgt zum Ausdruck:
Diese erste Phase wollen wir rückblickend in unserem Rechenschaftsbericht behandeln und sachlich untersuchen, was wir der jeweiligen Situation entsprechend getan, welche Fehler wir gemacht und was wir unterlassen haben. Wir waren uns vor einem Jahr klar, daß wir die Versäumnisse der Vorgründungszeit nachholen, das heißt, die ideologischen, politischen und organisatorischen Voraussetzungen für den Aufbau einer marxistisch-leninistischen Partei nachträglich schaffen müssen. Um die ideologischen Voraussetzungen zu schaffen, war zweierlei notwendig:
1. Die Herausgabe eines theoretischen Organs. So wurde in Nordrhein-Westfalen ein Redaktionskollektiv gebildet, und Ende April 1969 erschien die erste Nummer REVOLUTIONÄRER WEG als Kampforgan gegen den Revisionismus, als Herausforderung der DKP bzw. der illegalen KPD.
2. Systematische Schulung, verbunden mit kollektivem Studium und Selbststudium des Marxismus-Leninismus und der Ideen Mao Tsetungs, mit dem Ziel dabei zu lernen, die Theorie mit der Praxis zu verbinden.
Anfang März 1969, als die Partei noch kaum in der Lage war, die ersten zaghaften politischen Schritte zu machen, wurde sie durch ein weltweites Ereignis herausgefordert: die sowjetischen Grenzprovokationen gegen China, besonders durch den blutigen Überfall auf die chinesische Insel Dschenbao im Wusulifluß. Jetzt mußte die Partei politisch in die Öffentlichkeit treten. Sie mußte sofort grundsätzlich auf dieses Ereignis reagieren, trotz aller Schwäche und ungenügender Information.
Die Landesleitung druckte sofort ein Flugblatt »Hände weg von China«, das zentral übernommen wurde. Das Flugblatt hat mobilisierend auf die Mitglieder unserer Partei und herausfordernd auf die DKP gewirkt, die bedingungslos jeden imperialistischen Gewaltakt der Sowjets gutheißt. Es wurde auch eine Waffe gegen den Revisionismus auf dem Ostermarsch und brachte die DKP-Funktionäre so in Panik, daß sie gegen unsere Genossen handgreiflich wurden. Durch dieses erste Flugblatt wurden manche Leute auf die KPD/ML aufmerksam und nahmen Kontakt mit uns auf. Durch weitere Flugblätter am 1. Mai und zur Bundestagswahl trat die Partei verschiedentlich an die Öffentlichkeit …
Wir müssen berücksichtigen, daß bei der Gründung der Partei nicht nur die ideologischen und politischen Voraussetzungen fehlten, sondern auch die organisatorischen. Wir mußten am Nullpunkt beginnen. Man kann sich natürlich streiten, ob es richtig war, zunächst einmal jeden aufzunehmen, der gewillt war, Mitglied zu werden. Wer kannte denn wen? Leider waren es nur wenige Revolutionäre aus der alten KPD, die mitmachen wollten. Meist waren es junge Leute, die, ohne theoretische Grundlage und ohne Erfahrungen in der praktischen Arbeit, sich für die neue Partei interessierten. Manche brachten kleinbürgerliche Auffassungen mit; aber das zeigte sich erst später.
Es mußte zunächst mit der Organisation begonnen werden. Aber der weitere Organisationsaufbau mußte straff durchgeführt werden. Statt dessen wurde jedoch eine verschwommene Organisationslinie angewandt. Jetzt war es höchste Zeit, die Organisation zu festigen, durch systematische Arbeit den verschwommenen Zustand zu beseitigen und Organisationsfunktionäre heranzubilden, um nach gewisser Zeit die provisorischen Leitungen durch gewählte zu ersetzen ...
Es machte sich auch noch ein entscheidender Mangel in der Organisation bemerkbar. Als Folge der verschwommenen Organisationslinie des ersten Halbjahrs 1969 drangen auch kleinbürgerliche Elemente in die Partei ein, vor allem aus den Reihen der Schüler und Studenten, aber nicht nur aus diesen Schichten. In Dortmund trat eine politisch gebundene Gruppe von Genossen in die Partei ein, die aus dem damaligen Agartzkreis kamen, die dann die Markowski-Gruppe bildeten, sich aber 1962 wieder von ihr trennten. Es handelt sich bei dieser Gruppe in der Hauptsache um ausgeschlossene und ausgetretene ehemalige Sozialdemokraten, denen sich auch einige Kommunisten angeschlossen hatten. Ihnen schwebte die Bildung einer sozialistischen Partei vor, die jedoch nie zustande kam ...
Blicken wir noch einmal auf den Organisationszustand des vergangenen Sommers zurück. Als eine Untersuchung im August zeigte, daß sich die Mitgliedschaft der Partei aus nur 40 Prozent Arbeitern und Betriebsangestellten, jedoch aus 60 Prozent Schülern und Studenten zusammensetzte, war eine Klärung in der Organisation nötig. Die proletarische Linie in der Partei durchsetzen bedeutet, daß sich alle Organe und Mitglieder der Partei auf die Arbeiterklasse orientieren müssen. Um das durchführen zu können, muß die Mitgliedschaft im entscheidenden Maße aus Arbeitern bestehen, mit deren Hilfe die proletarische Linie erfolgreich angewandt werden kann ...
Das war im großen und ganzen die Situation, die zu den September-Beschlüssen des ZK führte. Diese wurden Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Diskussion und eines sich verschärfenden Kampfes zweier Linien in der Partei: der proletarischen Linie und der kleinbürgerlichen Linie.