Willi Dickhut

Willi Dickhut

Ehrenvorsitzender

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1982

Von RW-Redaktion
Ehrenvorsitzender

Liebe Genossen! 5. 5. 82

Im Zusammenhang mit der Frage nach Kadervorschlägen für die zentralen Organe kam bei uns folgender Vorschlag auf, der nach zwei Diskussionen in der Ortsgruppe mehrheitlich angenommen wurde:

Wir schlagen vor, den Genossen W. D. auf dem Parteitag zum Ehrenvorsitzenden der Partei zu wählen. Begründung:

Die Verankerung der Partei erfolgt natürlich auf Grundlage der richtigen Linie, Strategie und Taktik und durch die entsprechende Umsetzung in unserer mündlichen und schriftlichen Arbeit. Das wird die Grundlage dafür bilden, daß uns Arbeiter vertrauen, unterstützen und Mitglied werden.

Vertrauen gründet sich aber nicht nur darauf, sondern auch auf das Vertrauen in die führenden Genossen. Deshalb werden wir nach dem Parteitag auch einzelne führende Genossen mit Namen, ihrer politischen Entwicklung und ihrem Standpunkt zu aktuellen Problemen öffentlich bekanntmachen müssen. Jedenfalls sollten wir das unserer Ansicht nach. Dabei müssen wir natürlich besonders sorgfältig vorgehen.

Dabei halten wir es für richtig, den Genossen W. D. besonders hervorzuheben: Seine herausragende Rolle beim Aufbau des KABD, bei der jahrelangen Arbeit auf dem Weg zur Partei ist sicher allen Genossen bekannt, so daß wir darauf hier nicht weiter eingehen wollen. Wie kein anderer Genosse verkörpert er außerdem unseren Willen, mit der neuen Partei an den positiven Traditionen der alten KPD anzuknüpfen.

Damit, daß wir ihn als presserechtlich Verantwortlichen für die Redaktion des Revolutionären Wegs bekannt machen, und über seinen Tatsachenbericht »So war's damals …« wird seine Rolle beim Parteiaufbau für Außenstehende nicht genügend deutlich. Denn die Redaktion des Revolutionären Wegs wird ja nicht vom Parteitag gewählt, sondern ist – jedenfalls formal gesehen – eine Abteilung, die der Zentralen Leitung unterstellt ist.

Wenn unser Vorschlag vom Parteitag angenommen wird, sollten wir auch darauf achten, daß wir ihn immer als »Ehrenvorsitzenden und Leiter der Redaktion des Revolutionären Wegs« bezeichnen. Dadurch können wir deutlich machen, daß er sich mit seiner ganzen Kraft für die Weiterentwicklung unserer Linie mit dem Revolutionären Weg einsetzt. Das wird ihn ja auch grundsätzlich von »Ehrenvorsitzenden« bei bürgerlichen Vereinen oder Parteien unterscheiden, für die so ein Titel Lorbeeren sind, auf denen sie sich ausruhen.

Zum Schluß möchten wir darauf hinweisen, daß es in der alten KPD selbstverständlich war, einzelne Genossen zu propagieren.

Ob Du, Genosse Willi, überhaupt mit unserem Vorschlag einverstanden bist, wissen wir nicht. Wir hoffen das natürlich, weil wir meinen, daß Du dadurch zur Propagierung der neuen Partei beitragen kannst. Insofern würde die Wahl zum Ehrenvorsitzenden nicht nur das Vertrauen der Partei in Dich, sondern auch Dein Vertrauen in die neue Partei ausdrücken.

Im Auftrag der Ortsgruppe Bielefeld
Politischer Leiter der KABD-Ortsleitung

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Betreff: Ehrenvorsitzender 21. 5. 82

Liebe Genossen!

Besten Dank für Euren Brief vom 5. 5. 82. Euer Vertrauen ehrt mich, aber ich bin nicht einverstanden mit Eurem Vorschlag, der Parteitag solle mich zum Ehrenvorsitzenden wählen. Hier meine Gründe:

1. Es gibt den bürgerlichen Ehrgeiz, sich mit dem Titel »Ehrenvorsitzender« in der Öffentlichkeit zu sonnen und auf Verdienste der Vergangenheit zu pochen. Ich weiß, so was mutet ihr mir nicht zu.

2. Es gibt den proletarischen Ehrgeiz, sich sein Leben lang mit aller Kraft, mit seinem ganzen Wissen und Können für die Arbeiterklasse einzusetzen, solange das möglich ist. Die Anerkennung dieser Tätigkeit durch die Genossen und Kollegen soll sich nicht in dem Titel »Ehrenvorsitzender« ausdrücken, sondern als Vorbild wirken für die eigene revolutionäre Tätigkeit, als Aufforderung, ein mutiger Kämpfer für den Klassenkampf zu werden und zu bleiben.

3. Bebel sagte mal: »Wenn dich die Feinde loben, dann hast du sicher Fehler gemacht!« Angefangen von der bürgerlichen Presse, über die DKP bis hin zu den sogenannten »linken« Gruppen bin ich wegen meiner theoretischen und politischen Arbeit angegriffen, verleumdet und diffamiert worden wie kein anderer Genosse. Das besagt doch, daß ich das richtige Ziel und den richtigen Weg befolgt habe. Meine proletarische Ehre braucht nicht durch Hervorhebung als »Ehrenvorsitzender« gestützt werden.

4. Der praktische Wert eines Ehrenvorsitzenden wäre, daß er an den Plenumssitzungen der Zentralen Leitung oder des Zentralkomitees teilnehmen könnte. Aber es wird auch ohne das keinen Leitungsgenossen geben, der mir den Wunsch nach Teilnahme an einer Plenumssitzung ablehnen würde. Damit entfällt auch der praktische Wert eines »Ehrenvorsitzenden«.

5. Die Herausstellung meines Namens als Verantwortlicher des Revolutionären Wegs hat doppelte Bedeutung: a) weil ein Impressum verlangt wird, um gegebenenfalls gegen den Verantwortlichen gerichtlich vorgehen zu können, b) die persönliche Verantwortung unseren Organisationen gegenüber, um möglichst Fehler zu vermeiden. Das ändert sich auch nicht durch die Erweiterung des Impressums »Ehrenvorsitzender und Leiter der Redaktion Revolutionärer Weg«.

6. Meine persönliche Rolle beim Aufbau einer neuen revolutionären Partei ist bei Freund und Feind mehr oder weniger bekannt und braucht nicht durch den Titel »Ehrenvorsitzender« besonders hervorgehoben werden.

Liebe Genossen, ich hoffe, daß Ihr meine Gründe versteht und anerkennt. Und wenn Ihr mich »ehren« wollt, dann verstärkt Eure ideologische, politische und organisatorische Arbeit beim Aufbau der revolutionären Partei in Verbindung mit der Organisierung und Führung von Kämpfen der Arbeiterklasse.

In diesem Sinne herzliche Kampfesgrüße
Willi