Willi Dickhut

Willi Dickhut

Ein gemeinsames Band – stärker als bürgerliche Vorurteile

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1974

Von RW-Redaktion
Ein gemeinsames Band – stärker als bürgerliche Vorurteile

Lieber Klaus, liebe Dagmar! 26. 2. 74

Herzlichen Glückwunsch zu Eurer Ehe! Wenn auch verspätet, so kommen meine Wünsche nicht weniger von Herzen. Es ist ja nicht einfach nur eine bürgerliche Ehe, wie sie nach außen hin in Erscheinung tritt, sondern sie beruht auf der gemeinsamen Weltanschauung und politischen Tätigkeit. Dieses gemeinsame Band ist stärker als bürgerliche Vorurteile. Haltet fest zusammen zur Erreichung unseres großen Ziels.

Ich bitte um Entschuldigung, daß ich erst jetzt Eurer gedenke. Um den Tag nur ja nicht zu vergessen, hatte ich mir Eure Anzeige sorgfältig verwahrt, aber dann stürzte vorige Woche soviel auf mich ein, daß mir Hören und Sehen verging. Ma. hatte mir ein Päckchen mit Verbesserungsvorschlägen für Revolutionärer Weg 7–9, die wir als Buch herausgeben wollen, zur Überarbeitung beziehungsweise Überprüfung übermittelt. Kaum war ich intensiv daran, schickte mir Wa. den abgeänderten und erweiterten Entwurf der Lektion über den Arbeitsstil, den ich in drei Tagen überarbeiten sollte. Also machte ich mich gleich daran. Luise ist recht sauer, da ich nur noch zum Essen aus meinem Arbeitszimmer komme. Dann kam auch noch der erste Teil für Revolutionärer Weg 13, den ich so nicht gebrauchen kann, weil auf 35 Seiten alles mögliche eingepackt war, obwohl der Teil höchstens 12 Seiten lang werden durfte. Das mußte ich Fr. sofort klarmachen, außerdem auch Th. verständigen. Nebenbei habe ich auch schon mit unserem Bericht (Rechenschaftsbericht der Zentralen Kontrollkommission – die Herausgeber) für den II. Zentralen Delegiertentag begonnen, den üblichen Kleinkram erledigt und einige Besprechungen gemacht. Als ich jetzt eine kleine Verschnaufpause machen wollte, fielen mir Eure Hochzeit und meine Sünden ein. Was sind wir Kommunisten doch für ein sonderbares Volk!

Also nehmt es mir nicht übel, es ist ja nicht so, als ob ich mit meinen 70 Jahren schon an Gedächtnisschwund leide, das hätte auch einem jüngeren Genossen passieren können. Außerdem habe ich nichts vom Karneval gesehen und nur gehört, es soll auch einen Rosenmontag gegeben haben – na meinetwegen, mir reicht‘s auch so.

Zum Schluß möchte ich Dich, lieber Klaus, an das erinnern, was wir in der Angelegenheit Kirchheim festgelegt hatten – der Ernst des Lebens beginnt wieder.

Laßt Euch umarmen und seid herzlich gegrüßt
Euer Willi