Willi Dickhut

Willi Dickhut

Solidarität mit politischen Gefangenen

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1975

Von RW-Redaktion
Solidarität mit politischen Gefangenen

Herrn J. Schmierer 18. 7. 75

Vollzugsanstalt
Waldshut

Werter Genosse Schmierer!

In der »Kommunistischen Volkszeitung« 27 ersah ich Deine Anschrift und will es nicht versäumen, Dir und Deinen Genossen meine volle Solidarität auszudrücken. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten zwischen uns erkläre ich die Zusammengehörigkeit mit Dir und allen proletarischen politischen Gefangenen gegenüber dem Klassengegner.

Als ich 1958 das im Grundgesetz verankerte Recht, bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen als Unabhängiger zu kandidieren, für mich in Anspruch nahm, wurde ich mit acht Monaten Gefängnis auf Bewährung und Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts für fünf Jahre bestraft. Der Oberstaatsanwalt begründete seine Anklage als »Rückfall«, weil ich wegen Widerstand gegen die Hitlerdiktatur bestraft worden war. Nachdem ich nun erneut verurteilt wurde, hat man mich anschließend auch nicht mehr als »Verfolgter des Naziregimes« anerkannt. Wer die Macht hat, hat auch das Recht auf seiner Seite.

Ich habe die Fortsetzung des Meinungsaustauschs über die wirtschaftliche Entwicklung in der »Kommunistischen Volkszeitung« gelesen und bestätige den sachlichen Ton. Unsere Wirtschaftsabteilung wird in einem ausführlichen Artikel auf die gegenwärtige wirtschaftliche Situation eingehen, allerdings nicht in der Art der Weiterführung der bisher geführten Polemik, obwohl noch einiges zu der Antwort in der »Kommunistischen Volkszeitung« zu sagen wäre.

Inzwischen ergeben sich neue Fragen und Probleme, so die Rede von E. Aust in Westberlin, wo er sich in prinzipienloser Weise bei Semler und Horlemann anbiedert, obwohl sie sich vorher angepöbelt haben. Durch die Politik der »Vaterlandsverteidigung« sind wohl alle Hemmungen beiseite geschoben worden.

Diese Politik bedeutet wohl nicht nur eine Trennungslinie, wie Du mal formuliertest, sondern auch eine Bindungslinie, die die Linksopportunisten zusammenführt.

Wie geht es Dir gesundheitlich? Wie oft kannst Du Briefe empfangen und schreiben? Bist Du in Einzel- oder Gemeinschaftshaft? Wenn es eben möglich ist, schreibe mir mal wieder.

Mit solidarischen Grüßen
Willi Dickhut