Willi Dickhut

Willi Dickhut

Über die theoretische Arbeit

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1979

Von RW-Redaktion
Über die theoretische Arbeit

Lieber Willi, 24. 9. 79

bevor Du in Kur fährst, will ich mich wenigstens bei Dir melden. Ich habe Dir gegenüber (und auch der Organisation gegenüber) ein schlechtes Gewissen, daß das erst so spät erfolgt. Aber bisher hatte ich so wenig vorzuweisen, daß ich mich ganz bewußt in die Arbeit und das Studium gestürzt habe, um der übernommenen Aufgabe wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. Es muß aber überprüft werden, ob ich noch einmal so eine umfangreiche Aufgabe übernehme. Denn mein Wissen von den Zusammenhängen von Strategie und Taktik war vorher gleich Null.

Ich möchte Dir auch sagen, daß ich ein Genauigkeitsfanatiker bin. Ich versuche, das Problem gründlich zu lösen. Sonst würde ich gar nichts veröffentlichen. Jetzt steht die Sache bei mir so, daß ich langsam Land sehe. Ich habe durch die Aufgabe ziemlich viel gelernt, eigentlich wie schon lange nicht mehr.

Bevor ich Dir aber einen Überblick über meine Studien gebe, möchte ich noch auf ein Problem eingehen, das mir der springende Punkt zu sein scheint. Wenn man Lenin studiert, staunt man über die Reichhaltigkeit der Taktik, der taktischen Losungen. Ein Beispiel: Die Bauernfrage …

Alle diese drei Losungen in der Bauernfrage beruhten auf einer genauen Analyse, einer genauen materialistischen Kräftebestimmung. Das ist sozusagen ein Paradebeispiel für die richtige Bestimmung von Strategie und Taktik. Aber damit wird gleichzeitig auch das entscheidende Problem deutlich: Die dialektische Methode ist das entscheidende Kettenglied …

Herzliche Grüße
Dein H.

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Lieber H.! 5. 11. 79

Entschuldige bitte, daß ich Deinen Brief vom 24. 9. erst jetzt beantworten kann …

Es geht allen Genossen so, daß sie zuerst die theoretische Arbeit unterschätzen, bevor sie ans Ausarbeiten kommen. Ich habe erfahren: Je mehr man weiß, um so mehr kommt man zu der Erkenntnis, daß man doch recht wenig weiß. Je gründlicher man etwas auszuarbeiten versucht, desto größer werden die Schwierigkeiten, die man überwinden muß. Dabei darf man den Mut nicht verlieren. Unter keinen Umständen darf man oberflächlich werden, lieber etwas mehr Zeit verwenden.

Ich habe schon damit gerechnet, daß wir die Herausgabe des Revolutionären Wegs 20 verschieben müssen. Das ist aber auch nicht schlimm, denn die Genossen haben noch genug am Revolutionären Weg 16–19 zu knabbern, und sie werden sich mit Sicherheit auch mit meinem Buch »So war's damals …« beschäftigen.

Deshalb meine ich, wenn Du Ende des Jahres soweit bist, bin ich zufrieden. Das heißt nicht, langsamer arbeiten, sondern gründlicher! Du darfst nicht nachlassen, Du schreibst selbst, durch die Arbeit viel gelernt zu haben. Glaubst Du, ich hätte ohne Absicht Dich für die Arbeit herangezogen? Du steckst in der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, schlägst Dich mit Tagesfragen herum und bewegst Dich dabei immer an dem Abgrund des Opportunismus wie alle unsere Betriebsgenossen. Nur die gründliche Kenntnis des Marxismus-Leninismus und die ständige Anwendung der dialektischen Methode bewahrt Dich und alle Genossen vor dem Absturz. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachte auch die Teilnahme an dem Gewerkschaftslehrgang. Darum ist die Mitarbeit am Revolutionären Weg 20 für Deine Entwicklung von besonderer Bedeutung. Unterrichte mich über den weiteren Verlauf Deiner Arbeit.

Herzlichen Gruß
Willi